Moritz-von-Büren-Schule

LWL-Förderschule Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation Büren

Die Geschichte der Moritz-von-Büren-Schule

Das Alter der Schule (über 185 Jahre seit der Gründung) bedingt natürlich auch eine lange geschichtliche Entwicklung. Im Folgenden werden nur einige Daten auf diesem langen Weg notiert, um das Lesen nicht zu einer endlosen Geschichte werden zu lassen.

1. August 1830

Die Taubstummenanstalt zu Büren wird durch eine Verfügung des Oberpräsidenten der Provinz Westfalen, Ludwig Freiherr von Vincke (1774-1844), vom 21. Juni 1830 gegründet.

 

Die Schule gehört damit zu den ältesten Schulen für Hörgeschädigte im gesamten deutschsprachigen Raum.

Die Oberleitung der Anstalt hatte der Direktor des Lehrerseminars zu Büren, Seminardirektor Klocke. Der Direktor vertrat die Anstalt nach außen, führte den amtlichen Schriftwechsel, ermittelte die Pflegehäuser und schloss die Pflegeverträge ab.

Die technische Leitung übernahm der in der Anstalt zu Münster ausgebildete Taubstummenlehrer Wirsel. Er erteilte den Taubstummenunterricht, beauftragte die Pflegehäuser, erstattete den Jahresbericht und unterwies die Seminaristen theoretisch und praktisch in der Unterrichtung Taubstummer.

Hauptaufgabe der Anstalt sollte sein, die Seminaristen, also künftige Volksschullehrer, zu befähigen, taubstumme Kinder gemeinschaftlich mit den Vollsinnigen zu unterrichten.

Die materielle Sicherstellung der Schule gewährleistet der so genannte Westfälische Provinzial Taubstummenfonds.

Der erste „Kontrakt zwischen dem Schmiedemeister Kraft und dem Seminardirektor Klocke wurde am 1. August 1830 geschlossen.

 

 

Die Gründungsurkunde, wenn auch hier schlecht lesbar, dokumentiert den Beginn des Schullebens.

1847

Die Schülerzahl war auf 49 gestiegen. Vom Provinzial-Schulkollegium wurde die Einrichtung einer zweiten Hilfslehrerstelle beschlossen. Der Schulamtskandidat Josef Dornseifer wurde in diese Stelle berufen.

1856

Das Dienstverhältnis zwischen dem Seminardirektor und dem 1. Lehrer der Taubstummenanstalt wurde genau geregelt. Der Seminardirektor blieb Vorsteher der Anstalt und Vorgesetzter der angestellten Lehrer.

1868

Ein in der Nähe des Seminars gelegenes Haus wurde für 5900 Taler erworben und für 600 Taler umgebaut. Es hatte drei Klassenzimmer und eine Dienstwohnung für den Lehrer. Damit trennte sich die Anstalt räumlich vom Seminar.

1872

Das Pflegegeld wurde von 30 auf 40 Taler erhöht.

Die meisten Aktennotizen der damaligen Zeit setzten sich inhaltlich mit den Pflegehäusern und deren Organisation auseinander. Dies ist nicht erstaunlich, da die Unterbringung der Schüler in Pflegefamilien einmalig war und die Schule deutlich abhob von den anderen, die ihre Schüler ausnahmslos in Internaten unterbrachten. Das Pflegehaussystem war ein entscheidendes Argument für den Erhalt der Schule in den 60er und 70er-Jahren. Erst Ende der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts wurden die Pflegehäuser zugunsten der täglichen Fahrt zur Schule mit Taxen aufgegeben.

1876, 4. Januar

Übergabe der Anstalt an den Provinzialverband zur Verwaltung und Unterhaltung „unter Übertragung aller dem Staate bezüglich derselben und der dazu gehörigen Vermögensobjekte zustehenden Rechte und obliegenden Verpflichtungen.“ Die unmittelbare Leitung der Anstalt übernahm der Hauptlehrer Dornseifer, das Abhängigkeitsverhältnis vom Seminar endete.

1887, 20. Juli

Der Landesdirektor, Geheimer Oberregierungsrat Overweg, übernimmt die Provinzialverwaltung, sein Dezernent ist ab 1890 Landesrat Schneding. – Zitat aus Gustav Wende (1915): Deutsche Taubstummenanstalten, - Schulen und Heime – in Wort und Bild:

„Während seiner (des Landesdirektors Overweg) fast dreizehnjährigen Amtsführung nahm das Taubstummenbildungswesen in der Provinz Westfalen ... einen Aufschwung, wie während des gleichen Zeitraumes kaum in einer anderen Provinz der preußischen Monarchie.

Erwähnenswerte Geschehnisse:

1889, 1. Oktober

Der Vorsteher und Hauptlehrer Dornseifer tritt nach 42jähriger Tätigkeit in den Ruhestand. Sein Nachfolger wird am 1. November 1889 Ferdinand Derigs.

1895, 3. Oktober

Einzug in das im Sommer 1895 fertiggestellte neue Schulgebäude, erbaut auf dem vom Haus Büren’schen Fonds 1892 erworbenen Grundstück. Dies ist das heute noch genutzte Schulgebäude in der Bertholdstraße. Das Gebäude ist vorgesehen für 8 Klassen. Der Unterricht beginnt mit 59 Schülern in 6 Klassen und mit 7 Lehrern.
Die Einweihung des neuen Gebäudes wurde gebührend gefeiert.

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1895

Der Knabenhandarbeitsunterricht wird eingeführt.

1900

Die beim Umbau der Schule beabsichtigte Organisation wird verwirklicht: Die Schüler werden in acht Klassen – vier A-Klassen und vier B-Klassen – unterrichtet. Der Lehrkörper besteht aus dem Direktor, sieben Lehrern und zwei Lehrerinnen.

1905

Die Schule feiert ihr 75jähriges Bestehen.
Das Bild zeigt eine Aufnahme aus dem Jahr 1905
Das kunstvoll gestaltete Programm zur 75-Jahr-Feier

1911, 7. August

Das Gesetz betreffend die Beschulung blinder und taubstummer Kinder tritt in Kraft. Die Erweiterung der Schule auf 14 Klassen und 16 Lehrkräfte wird erforderlich.

1914, 24. März

Die Pflichten und Rechte der Pflegeeltern werden durch Verfügung des Landeshauptmannes in 16 Paragrafen genau geregelt. Die Schule zahlt für jeden Tag der Anwesenheit im Pflegehaus 85 Pfennige und stellt außerdem ein vollständig eingerichtetes Bett nebst Bettwäsche zur Verfügung. – Zitat: „Die Zöglinge sind bei braven Bürgern der Stadt, die dem Arbeiter-, Handwerker-, Bauern- und Beamtenstande angehören, in Pflege gegeben.“

1917

Der Höchststand an Schülern ist erreicht. 150 Schüler besuchen die Schule. Sie werden in 15 Klassen von insgesamt 14 Lehrern unterrichtet.

1. Weltkrieg

Sechs Absehkurse für ertaubte Soldaten werden eingerichtet.

Nach dem Krieg sinkt die Schülerzahl wieder deutlich. Zu diesem Zeitpunkt besuchen 102 Schüler die Schule. Sie verteilen sich auf 11 Klassen und werden von 13 Lehrern unterrichtet.

20er Jahre

Die Taubstummen fordern völlige Gleichberechtigung mit den Hörenden. Die Fürsorge für die schulentlassenen und erwachsenen Taubstummen drängt sich in den Vordergrund und findet Berücksichtigung in der sozialen Gesetzgebung.

„Inflation als auch Deflation hemmen die Taubstummenfürsorge ...... Die Gegenwart ..... zeigt mit erschreckender Deutlichkeit, dass das Vorhandene stark gefährdet ist.“ (Dr. G. Beermann in „Taubstummenwesen und Taubstummenfürsorge unter besonderer Berücksichtigung der westfälischen Verhältnisse 1927.

1924

Der Haushaltsunterricht für Mädchen wird eingeführt.

1944 - 1945

Die Landesversicherungsanstalt Westfalen-Lippe wird in Münster ausgebombt. Landesrat Salzmann, der spätere Landeshauptmann, bezieht mit der Versicherungsanstalt die Gehörlosenschule.

Ab jetzt wird in der Chronik der Begriff „taubstumm“ durch „gehörlos“ ersetzt, ebenso wie es in der Pädagogik der Nachkriegszeit zu einem Begriffswandel kam.

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1962

Einrichtung der Haus- und Früherziehung

Dieses Datum gehört sicher zu den bedeutendsten in der Geschichte der Schule, da die Frühförderung in den kommenden Jahrzehnten die gesamte Hörgeschädigtenpädagogik in mehreren Schüben revolutioniert hat. Die Möglichkeiten des Sprache- und Sprechenlernens hörgeschädigter Kinder wurde in Verbund mit der gleichzeitig fortschreitenden Technik der Hörgeräteanpassung um ein Vielfaches verbessert.

1969, September

Einrichtung der 5-Tage-Woche und der Wochenendheimfahrten

Für die Schüler war dieses von besonderem Interesse, da ihnen erstmals eine regelmäßige wöchentliche Heimfahrt von den Pflegehäusern in die Elternhäuser möglich gemacht wurde.

1969, 25. November

Einweihung des Sonderkindergartens für Gehörlose. Der Kindergarten hat 12 Heimplätze und drei Tagesplätze; Träger ist der Caritasverband.

Auch dieses Datum verdient eine besondere Beachtung, da das Angebot eines speziell auf hörgeschädigte Kinder zugeschnittenen Kindergartens auch heute noch die Förderung für viele Kinder optimiert. Leider musste der Kindergarten Ende der 90er-Jahre aus finanziellen Gründen bei zu geringer Auslastung wieder geschlossen werden. Dennoch können hör-geschädigte Kinder weiterhin in dem integrativen Kindergarten in Büren Aufnahme finden.

1970

Ein Pavillon mit zwei Klassenzimmern wird in Fertigbauweise errichtet.

1972

Neufassung der Externatsordnung

An dieser Stelle beginnt das System der Pflegefamilienunterbringung zu bröckeln. Immer mehr Kinder können durch die Einrichtung von Taxenlinien täglich zur Schule und von der Schule wieder nach Hause gebracht werden.

1973

Die Kinder werden nach einem neuen Sonderschulaufnahmeverfahren (SAV) in die Schule aufgenommen.

1976, 1. Januar

Die im Dienst der Landschaftsverbände stehenden Taubstummen- und Blindenlehrer werden in den Landesdienst übernommen. Die Direktoren werden Sonderschulrektoren, die Direktorstellvertreter Konrektoren, die Taubstummenoberlehrer Sonderschullehrer.

1978, 1. August

Das Schulmitwirkungsgesetz tritt in Kraft. Die Schulkonferenz, ein Gremium bestehend aus Lehrern, Eltern und Schülern berät und bestimmt Angelegenheiten der Schule.

1980, 1. August

Einführung des 11. Vollzeitpflichtschuljahres

1980, August

Die Schule feiert ihr 150jähriges Bestehen im Rahmen einer großen Veranstaltung.
Aus der Einladung geht hervor, dass die Feierlichkeiten mehrere Tage dauerten.
Eine Broschüre erzählt die Geschichte der Schule und präsentiert die aktuellen Förderprogramme und Möglichkeiten der Einrichtung.

1995

Die Schule feiert mit einem großen Schulfest ihr 165-jähriges Bestehen in Verbund mit der 800-Jahr-Feier der Stadt Büren.

1996

Die Schule für Gehörlose Büren und die Schule für Schwerhörige Bielefeld gehen einen Schulverbund ein. Die Schule führt den Namen „Westf. Schule für Gehörlose und Schwerhörige Bielefeld/Büren, Schulstandort Büren“. Am Schulstandort Büren werden jetzt auch wieder schwerhörige Schüler aufgenommen. Die ausschließliche Aufnahme gehörloser Schüler hat die Schülerzahl auf bis nahezu 30 sinken lassen.

2000, 8. Juni

Am 08.06.2000 kommt es zu einer entscheidenden Anhörung im Schulausschuss des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe zur Neuordnung der Schulen für Gehörlose und Schwerhörige. Die Entwicklung hin zur gemeinsamen Beschulung von gehörlosen und schwerhörigen Schülern, wie sie in Büren begonnen wurde, soll auch für die anderen Schulstandorte in Nordrhein-Westfalen diskutiert werden. Der Bürener Schulleiter Josef Köjer plädiert in seinem Statement im Namen der Schulleiter für die Umsetzung des Konzeptes der gemeinsamen Beschulung aller Hörgeschädigten.

2002

Die beiden Schulstandorte Bielefeld und Büren werden wieder verselbstständigt. Durch die Aufnahme von schwerhörigen Schülern ist die Schülerzahl wieder kontinuierlich angestiegen, so dass ein ordnungsgemäßer Schulbetrieb an der Bürener Schule für die nächsten Jahre gesichert ist.

2004

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe beschließt, am Schulstandort Büren ein neues Schulgebäude zu errichten. Das alte Gebäude verfügt über nicht angemessen große und in der Zahl nicht ausreichende Klassen-, Gruppen- und Fachräume und ist durch den Verkehrslärm der anliegenden Hauptverkehrstraße durch Störschall stark beeinträchtigt. Der neue Schulstandort soll ebenfalls im Stadtgebiet von Büren sein.

2005

Im Jahr des 175-jährigen Bestehens der Schule ist die Schülerzahl der Schule auf 85 gestiegen. Die Tendenz weist weiterhin nach oben. Neben diesen 85 Schülern am Schulstandort Büren betreut die Schule 20 Schüler im gemeinsamen Unterricht an Regelschulen sowie etwa 50 Kinder im Rahmen der vorschulischen Frühförderung.

2005

Ein neues Schulgesetz führt dazu, dass die Sonderschulen in „Förderschulen“ umbenannt werden. Für die Bürener Schule heißt das, dass die Schule zu einer Förderschule mit dem Schwerpunkt „Hören und Kommunikation“ wird.

2006

Mit Beginn des Schuljahres 2006/07 wird das neue Schulgebäude in der Bahnhofstr 12 eingeweiht und bezogen. Vom 27. – 29. Oktober wird das Ereignis gefeiert. Gleichzeitig wird die Gelegenheit genutzt, das 175-jährige Bestehen der Schule offiziell und ausführlich zu feiern.

Und so sieht die neue Schule in der Realität aus.

2006

Mit dem Bezug des neuen Gebäudes wird auch eine Beratungsstelle für hörgeschädigte Kinder an der Moritz-von-Büren-Schule eingerichtet. Die Beratungsstelle koordiniert und organisiert die Frühförderung hörgeschädigter Kinder im Vorschulalter. Sie arbeitet mit Regelkindergärten, Ärzten, Kliniken, Akustikern, anderen Schulen und Beratungsstellen zusammen.

2009

An einem Tag in der Woche findet für die Schüler der Hauptschulstufe Nachmittagsunterricht statt. Der Stundenplan für die Hauptschüler ist so umfangreich geworden, dass nicht mehr alle Pflichtstunden an fünf Vormittagen untergebracht werden können.

In der Mittagszeit werden die Schüler mit einer warmen Mahlzeit versorgt, die von einem außerschulischen Partner angeliefert wird.

2009

Der LWL beschließt auf Antrag der Schule – beginnend mit dem Schuljahr 2010/11 – einen Förderschulkindergarten für hörgeschädigte Kinder an der Moritz-von-Büren-Schule einzurichten.

2009

Gleichzeitig – also auch mit Beginn des Schuljahres 2010/11 beginnt für Schülerinnen und Schüler der Primarstufe das Angebot einer offenen Ganztagsschule (OGS). Eltern können sich entscheiden, ihre Kinder täglich auch nachmittags in der Schule betreuen zu lassen.

Für die Unterbringung des Kindergartens sowie für die Räumlichkeiten der OGS wird ein Anbau notwendig. Dieser Anbau in unmittelbarer Schulnähe soll bis zum Schuljahresbeginn 2010/11 fertiggestellt sein.

2010

Der Anbau in unmittelbarer Schulnähe wird bis zum Schuljahresbeginn 2010/11 fertiggestellt, sowohl der Kindergarten als auch die OGS starten mit ihrem Betrieb.

Rechts steht der Anbau für den Kindergarten und die OGS.

2011

Einführung der flexiblen Schuleingangsphase. Der feste Klassenverband in den ersten Jahrgängen (Klasse E, 1 und 2) wird aufgehoben. Es werden Lerngruppen gebildet, in denen Schüler aller drei Jahrgänge miteinander lernen. Schulanfänger werden dadurch in bestehende soziale Gruppen eingegliedert, ein Unterstützungssystem in Lernprozessen wird etabliert.

2014

Eine sogenannte Vorschulgruppe beginnt zum ersten Mal zu Beginn des Schuljahres 2014/15 eingerichtet. Kinder, die im folgenden Schuljahr eingeschult werden, werden einmal in der Woche an einem Schulvormittag gezielt auf schulisches Lernen vorbereitet. Das Angebot ist eine Ergänzung zur Frühförderung und freiwillig. Schon im ersten Jahr wird das Angebot von Eltern so gut angenommen, dass zwei parallele Gruppen gebildet werden müssen.

Literatur

„Zur 75-jährigen Jubelfeier der Provinzial-Taubstummenanstalt zu Büren in Westfalen – Eine Festschrift“ von Direktor Ferdinand Derigs – 1905

„Deutsche Taubstummenanstalten, Schulen und Heime in Wort und Bild“ von Gustav Wende – C. Marhold Verlagsbuchhandlung 1915.)

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