Moritz-von-Büren-Schule

LWL-Förderschule Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation Büren

Förderschulkindergarten

1   Die Entwicklung

Die integrative bzw. inklusive Unterbringung hörgeschädigter Kinder in Regelkindergärten oder Schwerpunkteinrichtungen führt im Zusammenhang mit dem regelmäßigen Frühförderangebot der Moritz-von-Büren-Schule und in Zusammenarbeit mit den örtlichen Kindergärten unseres Einzugsbereichs und deren Trägern in den meisten Fällen zu einer erfolgreichen Förderung. Dem damit verknüpften Ziel der Integration bzw. Inklusion im häuslichen Umfeld fühlen sich alle an der Förderung beteiligten Kräfte verpflichtet.

Dennoch gibt es eine Gruppe von Kindern, bei denen eine solche inklusive Förderung nicht hinreichend erfolgversprechend erscheint bzw. nicht die erhofften Fortschritte zeigt. Die Gründe dafür sind vielfältig, oft kombiniert und immer individuell bedingt (z.B. gehörlose Kinder gehörloser Eltern; Kinder mit Migrationshintergrund ohne Frühfördererfahrungen; Regelkindergärten mit akustischen Bedingungen, unter denen hörgeschädigte Kinder nicht kommunizieren und lernen können; Kinder mit Mehrfachbehinderungen; hörgeschädigte Kinder mit Wahrnehmungsstörungen oder anderen Teilleistungsstörungen; Kinder, die die Gebärdensprache als vorrangiges Kommunikationsmittel benötigen u.ä.).

Manche Kinder benötigen die besonderen Bedingungen des Förderschulkindergartens und verbleiben bis zur Einschulung, andere benötigen diese als Anschub und intensive Unterstützung und können noch während der Kindergartenzeit in eine Regeleinrichtung wechseln. Wieder andere Kinder brauchen die intensive Förderung vor der Einschulung und kommen erst im fortgeschrittenen Kindergartenalter zu uns.

Ziel auch für diese Kinder ist die Integration bzw. Inklusion in die (hörende) Gesellschaft, allerdings muss der Weg dorthin für sie anders beschritten werden, wenn die Chance zur Teilhabe aufrecht erhalten werden soll. Da es um die sensible Phase des Spracherwerbs geht und in diesem Alter die Voraussetzungen für die spätere Kommunikationsfähigkeit angelegt werden, liegt hier eine besondere Verantwortung in der Beratung und Unterstützung. Für Kinder, für die in Bezug auf die Entwicklung ihrer sprachlichen und kommunikativen Kompetenzen die notwendigen Voraussetzungen vor Ort nicht gegeben sind und auch kurzfristig nicht geschaffen werden können, muss ein alternatives und gleichwertiges Angebot vorgehalten werden.

Die Moritz-von-Büren-Schule verfügte als einzige Schule für Hörgeschädigte in NRW auch im Neubau zunächst nicht über Räumlichkeiten für einen eigenen Förderschulkindergarten. Eine qualifizierte Erhebung und Befragung der Eltern im Jahr 2008 ergab, dass zu dem Zeitpunkt für mindestens 11 Kinder der Bedarf nach einem Förderschulkindergarten bestand. Das bedeutet, dass 11 Eltern diesen Förderort gewählt hätten, wenn er angeboten worden wäre.

Diese Bedarfserhebung war Anlass, auf den Schulträger zuzugehen und Räumlichkeiten für einen Kindergarten zu schaffen. Gleichzeitig wurden zwei Kolleginnen beauftragt, in Zusammenarbeit mit den existierenden HK-Förderschulkindergärten in NRW ein Konzept zu entwickeln. Da zeitgleich Überlegungen konkretisiert wurden, die Schule in eine Offene Ganztagsschule auszubauen, entstanden in einem zusätzlich errichteten Gebäude auf dem Schulgelände Räumlichkeiten für den Kindergarten. Im selben Gebäude ist die OGS untergebracht.

2   Das Konzept

Rahmenrichtlinien und Verbindlichkeiten

Nach §19 Abs. 5 des gültigen Schulgesetzes für das Land NRW können Kinder mit einer Hörschädigung auf Antrag der Eltern in die pädagogische Frühförderung aufgenommen werden. Diese umfasst neben der ambulanten Förderung im Elternhaus die Förderung in einem Heilpädagogischen Kindergarten oder in einem allgemeinen Kindergarten mit sonderpädagogischer Unterstützung durch die Förderschule sowie die Förderung in einem Förderschulkindergarten als Teil der Förderschule.

Nach den Richtlinien der pädagogischen Frühförderung für die Schule für Gehörlose und Schwerhörige nach dem Erlass des Kultusministers NRW v. 11.11.1985 können hörgeschädigte Kinder, die unter den Bedingungen der Regelkindergärten nicht hinreichend gefördert werden können, nach Vollendung des 3. Lebensjahres im Förderschulkindergarten aufgenommen werden. Der Förderschulkindergarten soll in enger Verbindung zum Elternhaus stehen (vgl. Der Kultusminister des Landes NRW (Hrsg,): Schule für Gehörlose/ für Schwerhörige; Richtlinien Pädagogische Frühförderung, 1985, 9).

Der Förderschulkindergarten der Moritz-von-Büren-Schule ist eine Abteilung der Förderschule für Hören und Kommunikation und ein Baustein der pädagogischen Frühförderung. Er besteht seit Beginn des Schuljahres 2010/2011. 

Zielgruppe

Vorrangiges Ziel ist es, auch Kinder mit Hörschädigung inklusiv in einem Regelkindergarten vor Ort unterzubringen und zu fördern. Kinder, die vor Ort in der sensiblen Phase ihrer Sprachentwicklung kein angemessenes und barrierefreies Angebot vorfinden (siehe oben), gehören zur Zielgruppe des Förderschulkindergartens. Dieser steht für hörgeschädigte Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren aus dem Einzugsbereich der Moritz-von-Büren-Schule zur Verfügung. Der Hörstatus der Kinder ist unterschiedlich und reicht von einer leicht- bis mittelgradigen Schwerhörigkeit bis zu einem an Taubheit grenzenden Hörverlust. Die Kinder unserer Einrichtung können aufgrund der individuellen Ausprägung ihrer Hörschädigung und eventuellen zusätzlichen Entwicklungsbeeinträchtigungen in einem Regelkindergarten ihres Wohnortes oft nicht adäquat gefördert werden und benötigen vorübergehend oder langfristig eine intensive Hör-, Sprach- und Kommunikationsförderung, die über das sonstige begleitende Angebot der Frühförderung (siehe dort) hinausgeht..

Die Förderung unter den besonderen Rahmenbedingungen des Förderschulkindergartens benötigen auch immer wieder Kinder unter 3 Jahren. Zurzeit können allerdings - anders als nicht behinderte Kinder in Regelkindergärten - noch keine Kinder unter 3 Jahren aufgenommen werden, da dies die gültigen gesetzlichen Regelungen nicht zulassen. Der Bedarf für solche Kinder wird immer wieder in allen Förderschulkindergärten des Landes von Eltern angemeldet. Vorstöße auch vom Schulträger Richtung Bezirksregierungen und Ministerium hinsichtlich Einzelfallentscheidungen blieben bislang erfolglos.

Rahmenbedingungen

Die Gruppe

Der Förderschulkindergarten der Moritz-von-Büren-Schule besteht aus einer hinsichtlich Alter und Hörstatus gemischten Gruppe von 5 bis 10 Kindern.

Das Team

Die Gruppe wird von einer Lehrerin für Sonderpädagogik und einer Fachlehrerin geleitet. Eine in der Elementarpädagogik ausgebildete Diplom-Sozialpädagogin ist als Ergänzungskraft tätig. Das Team wird von einer Vertretungslehrerin in einigen Stunden unterstützt. Es sind immer mindestens zwei Personen in der Gruppe. Je nach Gruppenstärke kommt stundenweise eine dritte Kraft hinzu, um Einzelförderung zu ermöglichen.

Das ganze Team trifft sich einmal im Monat zur Teambesprechung. Kurzfristige inhaltliche und organisatorische Abstimmungen und Informationsweitergaben finden fast täglich durch Gespräche, Mails oder Telefonate statt.

Räumlichkeiten und Außengelände

Der Kindergarten befindet sich im Erdgeschoss eines 2010 erbauten Gebäudes auf dem Schulgelände. In diesem neuen Gebäude sind ebenfalls die Räumlichkeiten für die Offene Ganztagsschule und die Mensa untergebracht. Der Kindergarten besteht aus einem Gruppenraum, einem großen Mehrzweckraum, der Platz für Bewegung, für Einzel- oder Kleingruppenförderung sowie für Differenzierungsmaßnahmen bietet. Zudem sind ein Materialraum, ein Kinderbad und ein Erwachsenenbad mit Wickelmöglichkeit vorhanden. Alle Räume bieten sehr gute akustische Bedingungen. An den Kindergarten grenzt ein kleiner Spielplatz mit Sandspielmöglichkeiten, einem Kletterturm und einer Rutsche. Auch der Schulhof der Schule wird für die Außenspielzeit genutzt. Neben Schaukeln, einem Klettergerüst für die Älteren, einer Rutsche, einer „Wegschnecke“ und einem Sandkasten nutzen die Kinder dort gerne die Möglichkeit, mit verschiedenen Spielfahrzeugen zu fahren. Ebenso eignet sich die große Spielfläche hervorragend für Lauf- und Ballspiele. Die gemeinsame Nutzung des Schulhofes mit der Schule bindet die Außenspielzeit an feste Zeiten im Tagesrhythmus. Durch die räumliche Nähe zur Schule besteht auch die Möglichkeit, Fachräume (z.B. Rhythmikraum, Küche, Turnhalle) zu nutzen.

Öffnungszeiten

Der Förderschulkindergarten ist mit seinen Öffnungszeiten an die Schulzeiten gebunden. In den Schulferien hat auch der Kindergarten geschlossen. Die Kindergartenkinder werden morgens gemeinsam mit den Schulkindern von ihren Heimatorten mit Taxen abgeholt und mittags wieder nach Hause gefahren.

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 8.00 – 13.05 Uhr.

Die Kinder erhalten im Kindergarten ein warmes Mittagessen. Eine Nachmittagsbetreuung findet zurzeit nicht statt.

Überlegungen in Bezug zum Leitbild der Schule

Hauptziele des Förderschulkindergartens sind die Anbahnung und Förderung der auditiven Wahrnehmung und Kommunikationsfähigkeit der hörgeschädigten Kinder. Sprachverständnis und Kommunikationsfähigkeit sind die Grundlagen, um mit Menschen in Dialog zu treten, sich die umgebende Welt zu erschließen, diese zu verstehen und sich aktiv mit ihr auseinanderzusetzen. Diese Basiskompetenzen ermöglichen es im Sinne des Leitbildes, das eigene Leben selbstständig zu führen und zu gestalten.

Ziele der Förderung

  • Förderung der Hörentwicklung (Anbahnen einer Hörhaltung; Diskrimination von Geräuschen, Klängen, Sprachlauten, Wörtern und Sätzen; Entwicklung von Hörtaktiken; Erfassen der Schallrichtung; Schulung der auditiven Aufmerksamkeit und der auditiven Merkfähigkeit, Anbahnung der phonologischen Bewusstheit)
  • Förderung der Lautsprach- und, je nach individuellen Möglichkeiten, der Gebärdensprachkompetenz; dialogische Kommunikationsförderung
  • Förderung der Identitätsentwicklung und Aufbau einer emotionalen Stabilität
  • Anbahnung und allmähliche Erweiterung einer altersgerechten lebenspraktischen Selbstständigkeit
  • Förderung der sozialen Entwicklung durch Einsicht in und Anpassung an soziale Regeln und durch einen achtsamen Umgang miteinander
  • Sammeln von elementaren Umwelterfahrungen und Wissenserwerb
  • Förderung der ganzheitlichen Wahrnehmung
  • Entwickeln von Selbstständigkeit und Sicherheit in der Grob- und Feinmotorik
  • Förderung des Spielverhaltens
  • Förderung der kreativen Fähigkeiten
  • Förderung der rhythmisch-musikalischen Fähigkeiten
  • Vermittlung von Basiskompetenzen für den Übergang in die Schule

Hörgeschädigtenspezifische Grundsätze

Hören und Kommunikation

Die Kinder verfügen über sehr unterschiedliche Voraussetzungen und Förderbedürfnisse hinsichtlich ihrer Hör- und Sprachentwicklung und befinden sich häufig noch an deren Beginn. Die individuellen Voraussetzungen müssen bei der Arbeit mit den Kindern Berücksichtigung finden und führen dazu, dass nicht eine Sprachlernmethode favorisiert werden kann. Im Sinne des „natürlichen hörgerichteten Ansatzes“ liegt der Schwerpunkt im Schaffen einer guten Hör- und Sprachumgebung als Grundlage für das Sammeln von Hörerfahrungen. Grundprinzip bei allen Aktivitäten ist die Kommunikationsförderung durch das Aufgreifen und Schaffen von Kommunikationsanlässen. Die Hörentwicklung und der Spracherwerb finden vorwiegend in allen Bereichen der natürlichen Alltagskommunikation statt. Hier benötigen die meisten Kinder weniger das Besondere, sondern „mehr vom Normalen“ (vgl. M. Clark; Interaktion mit hörgeschädigten Kindern; München 2009, S. 20.). Alltagssituationen beim An- und Ausziehen, beim Essen, beim Spielen werden aktiv zur Hör- und Sprachförderung genutzt. Eigene Handlungen und die Handlungen des Kindes werden sprachlich begleitet. Dabei werden wie im natürlichen Eltern-Kind-Dialog das „Spielen der Doppelrolle“ und die „Fangmethode“ nach van Uden eingesetzt. Je nach Situation und den individuellen Voraussetzungen des Kindes werden lautsprachlich unterstützende Gebärden gebraucht sowie verstärkt Körpersprache und Mimik eingesetzt.

Die Sprache der Bezugspersonen ist natürlich und kindgerichtet; das bedeutet, dem Entwicklungsstand des Kindes angepasst. 

Um eine gute Hörentwicklung sicherzustellen, werden die Hörhilfen jeden Morgen kontrolliert. Hörübungen (z.B. Geräuschdiskrimination, Richtungshören, Anbahnung der phonologischen Bewusstheit) finden ihren Platz im Alltag und in der Einzelförderung. 

Neben der Förderung im Morgenkreis bei der themengeleiteten Arbeit, im freien oder angeleiteten Spiel, bei lebenspraktischen Tätigkeiten und anderen Angeboten für die Gruppe erhält jedes Kind möglichst einmal pro Woche eine am Förderplan orientierte Einzel- oder Kleingruppenförderung. Diese wird auf den Entwicklungsstand und die individuellen Bedürfnisse abgestimmt. 

Visualisierung

Durchgängiges Prinzip ist die Visualisierung. So dienen anschauliche Medien, Bildmaterial, Körpersprache und Mimik, LUG (lautsprachlich unterstützende Gebärden), PMS (Phonembestimmtes Manualsystem) und Schrift der Veranschaulichung von Inhalten. 

Beispiele:

  • Jeden Morgen wird der Wochentag mit einer entsprechenden Farbe visualisiert. Der Tagesplan wird den Kindern anhand von Bildkärtchen vermittelt.
  • Zu einem Projektthema suchen oder gestalten wir entsprechende Bilder, bieten die unterstützenden Gebärden an, spielen es im Rollenspiel nach, basteln ein vertiefendes Spiel dazu u.ä.
  • Inhalte von Liedern werden visualisiert und auf dieser Basis mit den Kindern erarbeitet.
  • Die Kinder gestalten mit ihren Eltern Wochenendblätter, um anhand von Fotos, Zeichnungen o.ä. von ihren Erlebnissen am Wochenende zu erzählen.
  • Am Ende der Woche erhalten die Kinder eine Zusammenstellung von Fotos, die besondere Momente der Woche festhält: die „Sternstunden“. Die Fotos bieten einen Gesprächsanlass über das Erlebte im Elternhaus.
  • Besondere Situationen aus dem Kindergartenalltag werden fotografiert und gemeinsam mit den Kindern in ihrem Erlebnisbuch eingeklebt, besprochen und gestaltet. Auch bebilderte Zusammenfassungen eines Themas werden dort hineingeheftet. Die Kinder können ihr Erlebnisbuch anderen zeigen, dazu erzählen und sie erhalten es am Ende der Kindergartenzeit als Geschenk.

Rhythmisierung und Struktur

Feste Strukturen, Abläufe und Rituale sowie Rhythmisierung durch das Erleben des Jahres mit seinen Jahreszeiten und Festen, dem Wochen- und Tagesablauf geben den Kindern Sicherheit und Orientierung. So kann sich das Kind mehr auf das Hören und Verstehen konzentrieren.

Wiederholung

Inhalte, Lieder, Verse u.ä. werden intensiv wiederholt und im Spiel, beim kreativen Tun, bei anderen Angeboten und in der Einzelförderung aufgegriffen.

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