Flexible Schuleingangsphase
1 Die Entwicklung
Regelgrundschulen kennen die flexible Eingangsphase schon seit einigen Jahren. Die Erfahrungen damit sind sehr unterschiedlich und differieren von Schule zu Schule. Da an Förderschulen mit dem Schwerpunkt Hören und Kommunikation alle Schüler durch die vorgeschaltete Eingangsklasse (E-Klasse) ein Jahr länger schulpflichtig sind, war diese Schulform bisher zurückhaltend mit dem Umgang mit einer flexiblen Eingangsphase.
Die Düsseldorfer LVR-Johann-Heidsiek-Schule (HK-Schule im Primarbereich) allerdings erprobt seit 2009 die flexible Schuleingangsphase an ihrem Standort. Kolleginnen der Moritz-von-Büren-Schule hatten Gelegenheit, sich vor Ort über die Erfahrungen hiermit zu informieren und sich mit den beteiligten Lehrkräften auszutauschen. Die guten Erfahrungen der Partnerschule mit der flexiblen Eingangsphase waren Anstoß für weitergehende Überlegungen am eigenen Standort. Da gleichzeitig in zwei aufeinanderfolgenden Jahren je eine relativ kleine Eingangsklasse gebildet wurde, war der Zeitpunkt für eine Erprobung an der Moritz-von-Büren-Schule im Schuljahr 2011/12 günstig.
Das neue Schulgesetz (9. SchRÄG), das zum Schuljahr 2014/15 in Kraft tritt, schafft für alle HK-Schulen wie auch für die anderen betroffenen Schulformen überraschend die E-Klasse ab und führt eine 10jährige Schulpflicht auch für hörgeschädigte Schüler ein. Die Auseinandersetzung mit der neuen Situation stellt viele Schulen vor Probleme. Die an zwei Schulen erprobte flexible Schuleingangsphase kann hier eine Brückenfunktion für die Übergangszeit übernehmen. Die genannten Schulen (die Johann-Heidsiek-Schule und die Moritz-von-Büren-Schule) unterstützen dabei die Partnerschulen in ihrem Entwicklungsprozess. Eine erste gemeinsame Veranstaltung dazu hat im März 2014 in Düsseldorf in Absprache mit den betroffenen Schulaufsichten stattgefunden.
Folgende - zunächst hypothetische - Erwartungen an eine flexible Eingangsphase unterstützten den Entschluss der Erprobung:
· Erweiterte Individualisierung von Lernprozessen
Das bisherige System einer separaten Klasse E, einer Klasse 1 und Klasse 2 erschien an vielen Stellen relativ starr und unflexibel. Auch wenn eine Förderschule vom Grundsatz her und von Anfang an schon sehr auf eine individuelle Förderung ihrer Schüler ausgerichtet ist, durchliefen die Schüler dennoch häufig gemeinsam Schritt für Schritt ein festgelegtes Lehrwerk und hatten nicht immer die Möglichkeit nach eigenem Lerntempo zu lernen.
Die Möglichkeit zur Differenzierung sowie das selbstständige Arbeiten waren an vielen Stellen eingeschränkt. Besonders die Orientierung an einem Lehrwerk forderte stets einen bestimmten Wortschatz, der bei einigen hörgeschädigten Schülern nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann.
Durch die Einführung der flexiblen Schuleingangsphase sollten die Möglichkeiten der Schüler zum eigenständigen und ihrem individuellen Tempo entsprechenden Lernen verbessert und erweitert werden.
Des Weiteren sollten die Schüler dadurch die Lernprozesse deutlich eigenständiger und mehr interessengeleitet steuern können.
Bei der eigenen Arbeitsorganisation sollte es den Schülern besser gelingen, sich selbst hinsichtlich ihrer Fähigkeiten einzuschätzen.
· Eingliederung in eine bestehende soziale Gruppe
Durch die Jahrgangsmischung werden Schulanfänger in eine bestehende soziale Lerngruppe integriert. Den älteren Schülern sind die Regeln und Rituale des Schulalltags vertraut und sie können diese an die Schulanfänger weitergeben.
Die bereits vorhandene soziale Struktur und Stabilität der Gruppe ermöglicht es dem Lehrer, mehr Zeit für die individuelle Betreuung und Förderung zu verwenden. Die Heterogenität der Schüler wird als „natürlich“ und selbstverständlich angesehen. Jeder Schüler kann sich entsprechend seiner Kompetenzen in den Unterricht einbringen und erfährt seinen individuellen Lernzuwachs. Auf diese Weise erleben die Kinder eine Anerkennung und positive Bewertung ihrer Individualität.
· Etablierung eines Unterstützungssystems in Lernprozessen
Die älteren Schüler haben die Möglichkeit, sowohl sich gegenseitig als auch den jüngeren Schülern zu helfen. Dies führt zu einer Festigung des Gelernten, stärkt das Selbstvertrauen und fördert die Motivation und die sozialen Kompetenzen der Schüler. Die jüngeren Schüler können Hilfestellungen nicht nur von Erwachsenen, sondern auch von anderen Kindern erhalten. Dies trägt zur Motivation bei, da die jüngeren Schüler Ehrgeiz entwickeln den Lernstand der älteren zu erreichen. Durch das offene Arbeiten ist es möglich sich auch mit komplexeren Aufgaben zu beschäftigen und nebenbei bereits Erfahrungen mit schwierigeren Lerninhalten zu machen.
· Veränderte Voraussetzungen für die Kommunikation
Durch den Zusammenschluss von drei Jahrgängen und die enge Kooperation zwischen den beiden Klassen bietet sich für die Schüler eine größere Auswahl an Kommunikationspartnern, die ihren individuellen Kommunikationsbedürfnissen entsprechen.
· Stabilität in der Sozialstruktur der Gruppe
In der Flexiblen Schuleingangsphase entsteht keine allzu starre Rangordnung, da die Sozialstruktur der Lerngruppe permanent in Bewegung ist. Schüler, welche die Schuleingangsphase länger oder kürzer durchlaufen, bleiben in ihrem vertrauten Lernumfeld anstatt aus ihrem sozialen Kontext gerissen zu werden.